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Erfahrungsbericht Klaus

Der Knubbel

Irgendwann im Sommer 2016 bemerkte ich in der Nähe meiner linken Brustwarze einen kleinen Knubbel, den ich von Anfang an sehr ernst nahm. Meinem Hausarzt erschien mein Knubbel ebenfalls nicht geheuer. Er klärte mich darüber auf, dass auch Männer an Brustkrebs erkranken können, weshalb er mich zu einem Radiologen überwies. Der sollte eigentlich ein CT machen, doch dort angekommen, entschied er sich zu einer Mammographie. Hurra, ich als Mann bei der Mammographie! Nach Auswertung der Bilder war mir nicht mehr zum Jubeln, denn der Verdacht auf Brustkrebs hatte sich erhärtet. Drei Tage später hatte mich der Radiologe erneut einbestellt, diesmal zur Vakuumbiopsie. Die Auswertung hat der Pathologe vorgenommen und einen Tage später hatte ich die schockierende Gewissheit über den Brustkrebs in mir.
Übrigens hat unser Hund es in dieser Zeit bevorzugt, nicht mehr in unserem Schlafzimmer zu nächtigen. Wie ich später erfuhr, sind Hunde in der Lage, einen Tumor zu schnüffeln, was sein Verhalten insofern erklären könnte.

Die Diagnosen

Es begann eine zermürbende Zeit in der man völlig fremdgesteuert ist: Abklärung beim Urologen, Erstkontakt mit dem Onkologen und Vereinbarung weiterer Ausschlussverfahren, wie Ultraschall des Bauchraumes, Blutanalysen, Röntgen der Lunge, Ganzkörperskelettszintigraphie und Single-Photonen-Emissions-CT.
Hier war es für mich besonders wichtig, dass mich meine Frau stets begleitete, denn in einem Arztgespräch erweist es sich als äußerst hilfreich, wenn vier Ohren zuhören und nicht nur zwei. Und dies nicht nur vor dem Hintergrund alles wiederholen zu müssen, sondern um Entscheidungen zu treffen und auch gemeinsam zu tragen.
All die erwähnten Untersuchungen, die innerhalb einer Frist von 14 Tagen absolviert wurden, haben ergeben, dass es keine Metastasen und keine befallenen Lymphknoten gab. Auf der einen Seite stellte sich eine gewisse Erleichterung ein, auf der anderen Seite gab es immer wieder die Frage „Warum ich?“ und „Wie weiter?“. Schließlich hab ich noch viel vor in meinem Leben. Doch viel Zeit zum Grübeln gab es nicht, denn die Tumorkonferenz empfahl entgegen dem ersten Therapievorschlag, dass möglichst schnell mit einer neoadjuvanten Chemotherapie begonnen werden und erst im Anschluss die operative Entfernung des Tumors erfolgen soll. Also lag ich eine weitere Woche später bereits im Krankenhaus, um mir die Wächterlymphknoten entfernen zu lassen und um mir einen künstlichen Zugang, dem s.g. Port einsetzen zu lassen, damit die bevorstehende Chemotherapie möglichst komplikationslos für das venöse System abgewickelt werden kann.

Die Chemo

Kaum hatte ich den Port drin ging es eine Woche später auch schon los mit der individuell auf meinen Tumor zugeschnittenen Chemotherapie – Modell EC-T, das heißt vier Mal alle drei Wochen eine Behandlung (Epirubicin mit Cyclophosphamid), gefolgt von zwölf wöchentlichen Behandlungen (Paclitaxel). Zur Abklärung, ob mein Organismus die Chemotherapie vertragen wird musste ich übrigens noch zum Kardiologen, der mittels EKG, Echokardiographie und Sonographie Herz und Herzkreislaufsystem abcheckte.
Die Chemotherapie habe ich sehr gut vertragen, nicht zuletzt auch wegen der ausgezeichneten Begleitmedikamente. Nach fünf Wochen begannen dann die Haare auszufallen, aber drüber hinaus hatte ich nie Anzeichen von Übelkeit, Erbrechen oder Appetitlosigkeit. Die Nebenwirkungen hielten sich also in Grenzen. Zum einen waren die Schleimhäute in Mitleidenschaft gezogen worden, was sich in einer dauerhaft trockenen Nase, einer oft entzündeten Mundschleimhaut und häufigem Nasenbluten äußerte. Zum anderen hatte ich unmittelbar nach jeder Chemo leichte Wahrnehmungsschwierigkeiten, die aber meist nach einem Tag abgeklungen waren.
Allgemeine Linderung erfuhr ich durch regelmäßige Besuche bei einem Heilpraktiker, der meine energetischen Bahnen im Einklang von Yin und Yang hielt. Zur Anwendung kam hierzu die alte Lehre von Herrn Penzel, der auf der Basis der traditionellen chinesischen Medizin die Akupunkt-Massage erfand.
Am Ende der ersten zwölf Wochen konstatiert der Arzt in der Brustsprechstunde des örtlichen Brustzentrums, dass die Chemo sehr wirkungsvoll war. Nachdem schon bei der ersten Kontrollmessung eine deutliche Verkleinerung des betroffenen Tumorgewebes festgestellt wurde, hat sich dies bei der zweiten Kontrollmessung erneut bestätigt. Bildlich kann man sich das vorstellen, als wäre eine gut ausgereifte Süßkirsche auf die Größe einer Erbse geschrumpft. Das war ein sehr guter Therapieerfolg und die Ärzte waren mehr als zufrieden. Ich natürlich auch. Besser konnte es nicht laufen. Es soll sogar Fälle gegeben haben, wo sich das bösartige Gewebe ganz im Körper aufgelöst hat. Und diese so genannte Komplettremission stellte sich tatsächlich auch bei mir zum Ende des zweiten Zyklus ein. Allerdings wurde dies erkauft durch das Auftreten von Empfindungsstörungen in Fingern und Zehen. Diese Polyneuropathie kann abhängig vom Chemotherapeutikum in unterschiedlicher Stärke zum Ende der Therapie auftreten. Mit meinem Onkologen haben wir dann entschieden, die Dosierung der letzten drei Anwendungen zu reduzieren. So bleibt nur die Hoffnung, dass die Polyneuropathie auch wieder verschwindet, was jedoch bis zu zwei Jahre dauern kann.
Resümierend bleibt festzustellen, dass die Chemotherapie nicht unangenehm war, aber auf die körperliche Leistungsfähigkeit krasse Auswirkung zeigte. So viel es mir insbesondere in den letzten 6 Wochen zunehmend schwerer meine täglichen Runden mit unserem Hund zu absolvieren.

Die Operation

Laufende Kontrollen der Blutwerte erfolgten unmittelbar vor jeder Sitzung der Chemotherapie und auch nach deren Ende waren sie erforderlich, um aufzuzeigen, dass sich mein Immunsystem wieder normalisiert hat und ich fit genug wurde für die Operation.
Sechs Wochen später war es so weit, ich wurde ins Brustzentrum des örtlichen Krankenhauses einbestellt und man nahm mir die linke Brustdrüse heraus. Mit Erstaunen erfuhr ich von dem Gewicht der entfernten Gewebemasse, welches immerhin 120 Gramm betrug. Die Entscheidung über die vollständige Brustabnahme traf ich übrigens gemeinsam mit der operierenden Oberärztin, denn eine zusätzliche Strahlenbehandlung wollte ich um jeden Preis vermeiden, da die Langzeitfolgen auf die in meinem Fall unvermeidbar mitzubestrahlenden Regionen von Herz und Lunge nicht vollends bekannt sind. Ich besaß aber eine Alternative und so wünschte ich mir die Mastektomie.
Sie verlief komplikationslos und nach vier Tagen konnte ich die Klinik wieder verlassen. Nicht jedoch, ohne zuvor die Anschlussheilbehandlung mit der netten Dame vom Sozialdienst der Klinik zu beantragen. Macht man das noch in der Klinik und hält sich an die Regeln des Rentenversicherungsträgers, dann erhält man auch kurzfristig eine Zusage, so dass meiner Anschlussheilbehandlung im wunderschönen Harz nichts mehr entgegenstand.

Die Reha

Für eine erfolgreiche Anschlussheilbehandlung ist es erforderlich, dass man körperlich so weit genesen ist, dass man die rehabilitierenden Maßnahmen auch weitestgehend schmerzfrei durchführen kann. Dies war bei mir nach vier Wochen gegeben. Im Aufnahmegespräch zeigte sich der behandelnde Oberarzt erfreut über die gut fortgeschrittene Wundheilung und verschrieb mir ein gutes Paket an Maßnahmen. Dass die meisten davon aber im Kreis betroffener Frauen stattfanden, erfuhr ich erst innerhalb der ersten Woche, denn ich war ja schließlich der Hahn im Korb. Allerdings erwiesen sich meine Leidensgefährtinnen durchweg als so gefestigt und charakterstark, dass wir alle von den gemeinsamen Gesprächen und dem intensiven Gedankenaustausch profitierten und letztlich einen erfolgreichen Aufenthalt genossen.
Besonderen Nutzen sah ich in den sportlichen Aktivitäten (Krafttraining, Ausdauereinheiten, Nordic Walking, Wassergymnastik), so dass ich mich entschied, meinen Aufenthalt um eine Woche zu verlängern. Mein Oberarzt erlebte meine Erfolge und stimmte der Verlängerung bedenkenlos zu.
Sehr hilfreich waren aber auch die vielfältigen Angebote, wie die aufklärenden Seminare, die Lehrküche, die Entspannungspraktiken und die Ergotherapien. Alles in Allem kann ich bestätigen, dass meine Anschlussheilbehandlung ein erfolgreicher Baustein in Richtung der Erlangung eines normalen Lebens war.
Dennoch ließ ich mich auch nach der Reha wieder von meinem Heilpraktiker unterstützen, was mir sehr gut bekam.

Die Rückkehr

Wieder daheim war auch schon bald die erste Nachsorgeuntersuchung fällig. Immerhin war bereits ein Vierteljahr seit der Operation vergangen. Der mich betreuende Frauenarzt aus dem Brustzentrum erkundigte sich über den Verlauf der AHB und wollte wissen, wie ich die Zeit danach verbracht habe. Ich weckte sein Interesse, als ich von meinen sportlichen Aktivitäten berichtete, die ich in der AHB begann und seit dem regelmäßig durchführe. Offensichtlich sind sich alle Ärzte darüber einig, dass regelmäßige moderate Kraft- und Ausdauereinheiten den besten Schutz gegen eine Wiederkehr des Krebses sind. Da mein Leben aber auch schon früher viel von Sport begleitet war, viel es mir nicht schwer, jetzt erneut mit dem Laufen zu beginnen.
Die klinische Untersuchung verlief auch ohne irgendwelche Auffälligkeiten. Blieb noch die Entscheidung über die s.g. endokrine Therapie. Hierzu empfahl er mir das Medikament der ersten Wahl bei einem Östrogenrezeptor positiven Tumor – Tamoxifen. Jedoch sollte ich erst einmal die Verträglichkeit über die Dauer von 30 Tagen testen und mich dann erneut vorstellen. Alles verlief normal, ich konnte keine großen Veränderungen feststellen und deshalb entscheid ich mich, die Einnahme fortzusetzen und nun gilt es die nächsten fünf Jahre durchzuhalten.
Später folgte noch die erste onkologische Nachsorgeuntersuchung, wieder Port spülen, Blut entnehmen und Ultraschall. Auch hier waren alle Untersuchungen ohne Befunde. Auf meine Frage zur Wiederaufnahme meiner beruflichen Tätigkeit ließ mir der Arzt jedoch freie Hand, selbst darüber zu entscheiden, wann ich mich mental und körperlich dazu in der Lage fühlte. Da ich mich mittlerweile, und das bestätigten ja auch die letzten Arztbesuche, körperlich wieder voll fit fühlte, entschied ich mich nach gut einem Jahr seit der Diagnosestellung wieder in meinen Job zurückzukehren.
Da dies aber gar nicht so einfach ist, mein Arbeitgeber aber glücklicherweise für solche Fälle aus Erfahrung gut vorbereitet war, führte man mit mir erst einmal ein Gespräch im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements. Schließlich einigten wir uns auf ein Prozedere mit einer gut zweimonatigen Schonzeit.
Inzwischen habe ich mich schon ganz gut wieder an die Arbeit gewöhnt und muss aufpassen, dass ich mich an alle Vereinbarungen, die die Arbeitszeit angehen, auch halte.

Schlussendlich muss ich feststellen, dass ich viel Glück im Unglück hatte. Stets wurden die richtigen Entscheidungen hinsichtlich der Diagnosen und der Therapie getroffen. Aber auch mein Lebensmut, gepaart mit dem Beistand meiner Frau und der Unterstützung der Männer aus dem Netzwerk Männer mit Brustkrebs e.V. waren der Garant für einen positiven Behandlungs- und Rekonvaleszenzverlauf. Ach ja, unser Hund schläft übrigens auch wieder am Fußende unseres Ehebetts….

Klaus
November 2017

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