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Erfahrungsbericht Hartmut

Vorgeschichte

Im Sommer 2007 bekam ich in der oberen Hälfte der linken Brust innerhalb weniger Tage eine Hühnerei große Verdickung. Mein Hausarzt überwies mich sofort zum Urologen. Dieser schickte mich gleich ins Screeningzentrum, wo er mich telefonisch anmeldete. Die Ärztin war auch sehr erschrocken und machte einen Schnellschnitt. Die Gewebeprobe habe ich selbst zum Pathologen gebracht. Als ich zu Hause ankam, lag das Ergebnis schon vor. Nur ein Abszess, ich musste zu einem Chirurgen. Dieses ließ ich ambulant machen. Es wurde aufgeschnitten und täglich mit Wasserstoffperoxyd gespült. Zusätzlich noch ein Antibiotikum und nach 10 Tagen war alles weg und die Wunde verheilte schnell.

Schon wieder

2009 habe ich erstmals eine leichte Verdickung in der rechten Brust bemerkt. Man sah und fühlte nichts. Eigentlich bemerkte ich es nur auf der Liege im Sommer, wenn ich mich zum Sonnen auf den Bauch legte. Mein Hausarzt vermutete eine Entzündung und verschrieb mir Antibiotika. Wir dachten an den Abszess von 2007. Es blieb alles unverändert. Mit der Zeit gewöhnte ich mich an den leichten Druck, denn es schmerzte auch nicht. Bei den regelmäßigen Krebsvorsorgen vom Urologen und Hausarzt wurde es auch nicht weiter verfolgt. Erst im Februar 2013, nachdem ich mich bei der Arbeit an der rechten Brust gestoßen hatte, verspürte ich erstmals einen starken Schmerz. Zum Abklären überwies mich mein Hausarzt zum Röntgen.
In der Röntgenpraxis sagte man mir, daß jetzt eine Mammographie gemacht wird, beide Seiten. Nach dem Röntgen hüllte sich das Personal in Schweigen. Nachfolgend wurde noch eine Ultraschalluntersuchung der rechten Brust gemacht. Die Ärztin erklärte bei der Untersuchung, dass ich noch ins Screeningzentrum muss, um mir Genaueres sagen zu können.
Im Screeningzentrum fragte man mich, ob ich mich verlaufen habe, hier sei nur für Frauen. Ich hielt meine Überweisung hin. „Kommen sie zur Mittagpause wieder.“ In der fast leeren Praxis wurde ich dann durchgeschleust. Bei der Stanzbiopsie wurden mir drei Proben entnommen, mit denen die Ärztin gleich wegrannte. Bedenken bekam ich, als sie dann mit einer 20 cm langen Nadel an der Spritze wiederkam. Unter Ultraschall entnahm sie eine Probe aus einem Lymphknoten in der Achsel. Auf meine Frage, wie es jetzt weiter geht bekam ich zur Antwort, daß das in jedem Fall operiert werden muss. Das histologische Ergebnis werde dem Hausarzt mitgeteilt. Mit ungutem Gefühl fuhr ich wieder zur Arbeit. Hier sprach ich mit meinem Chef über den Stand der Dinge.

Krebs

Mein Hausarzt rief an und bestellte mich in die Praxis. Er erklärte mir ohne Umschweife, daß ich Brustkrebs habe. Die Heilungsschanzen seien gut und an so was stirbt man heute nicht mehr. Es war trotzdem ein Schock. Er drückte mir eine Krankmeldung in die Hand und soll in den nächsten Tagen zur weiteren Diagnostik wieder kommen. Ich fuhr nach Haus. Wie sage ich es nur meiner Frau? Was ist mit meinem Arbeitsplatz? Und wie geht es jetzt weiter, als Mann mit einer Frauenkrankheit.
Alles drehte sich ab jetzt um meinen Brustkrebs. Da meine Frau Krankenschwester ist, haben wir genügend Literatur zuhause, die wir studierten. Sie erklärte mir alles und „übersetzte“ die inzwischen erfolgten Untersuchungsergebnisse. Ich bekomme Angst. Bewusst habe ich nicht mehr im Internet nachgelesen, um mich nicht noch mehr zu verunsichern. In jedem Fall muss ich in ein Brustzentrum, um richtig behandelt zu werde

Brustzentrum

Im Brustzentrum wurde ich vom Oberarzt der Gynäkologie untersucht. Ich musste mich dran gewöhnen, daß ich jetzt laufend mit Frauenärzten zu tun habe. Er rät mir zur baldigen OP, da der Tumor schon recht groß ist. „Es muss ein großes Oval herausgeschnitten werden“. Er hofft, ohne Hautverpflanzung die Enden wieder zusammen zu bekommen. Es kommt mir vor, wie ein böser Traum. Ich bekomme ein Einzelzimmer auf einer gynäkologischen Station.

Operation

Ich wachte in meinem Zimmer wieder auf. Druckverband, zwei Schläuche mit Drainageflaschen. Der Operateur sagte mir, daß alles gut verlaufen sei, aber er musste alle Lymphknoten, die er finden konnte, entfernen, da sie sich schon verändert hatten. Dabei habe er mit der Hand bis in der Schulter gesteckt und vermutlich unumgänglichen Schaden angerichtet. 40 Lymphknoten wurden insgesamt aus der Achsel entfernt, die anderen im Brustbereich natürlich auch. Insgesamt wurden 497 g Haut, Gewebe und Muskel herausgeschnitten. Nach zwei Tagen kam der Druckverband ab. Ich konnte mich das erstemal im Spiegel betrachten. Eine große tiefe Kuhle rechts bis auf die Rippen. Durchzogen von einer 30 cm lange Narbe, mit 30 Klammern zugetackert. Alles sehr stramm.
Die pathologische Untersuchung ergab einen 4,5 cm großen bösartigen Tumor, hormonabhängig, G2 mit 1,5 mm gesundem Rand. Der Krebs ist nicht in die Knochen gegangen. Nur in Haut und Muskel, und das ist weggeschnitten worden. Man sprach vom Glück im Unglück. Nachdem alle diagnostischen Untersungen gelaufen waren, stand auch die Tumorformel fest: T4b, N1, der Rest alle 0. Keine Metastasen. Das sind erfreuliche 50% Überlebenschancen. Jetzt steht noch das Ergebnis der Tumorkonferenz aus.

Tumorkonferenz

Tumorkonferenz, das volle Programm. Man entschied sich in meinem Fall für eine aggressive Chemotherapie von 4x EC, danach 4x Docetaxel. Anschließend 28x Bestrahlung mit einer Gesamtdosis von 50,4 Gray. Danach für 5 Jahre Tamoxifen als Tabletten einzunehmen. Das sagte mir alles nichts. Aber ich hatte keine Alternativen. Somit musste ich diese bittere Medizin schlucken.
Durch die fehlenden Lymphknoten wurden jetzt meine rechte Hand und rechter Arm dick. Im Krankenhaus erklärte und zeigte man mir wie ich erst mal selbst Lymphdrainage machen kann. Zuhause soll ich sie mir anschließend verschreiben lassen. Zukünftig auch keine Blutdruckmessung mehr am rechten Arm. Ebenso auch keine Spritzen oder Blutentnahmen rechts. Jede kleinste Verletzung kann sich sofort entzünden durch die fehlenden Lymphknoten. Auch eine Anschlussheilbehandlung solle ich in Anspruch nehmen, aber erst nach der Chemo und Bestrahlung.

Zu Hause

Es bildete sich sofort ein massives Lymphödem im rechten Arm und in der Hand. Die zwei Lymph-Drainagen pro Woche für 30 Minuten reichten nicht aus. Der Arm und die Hand wurden immer dicker. Mir wurde ein Kompressionsärmel und Handschuh verschrieben. Diese muss ich jetzt tragen. Von dem ewigen Arm hochhalten schmerzte mir schon die Schulter. Die Physiotherapeuten empfahlen tägliche Lymphdrainage. Die war jedoch vom Hausarzt nicht zu bekommen, da es sein Budget belastet. Die Krankenkasse erklärte mir, daß alles, was der Hausarzt verschreibt, auch bezahlt wird. Die tägliche Lymphdrainage bekam ich letztendlich während der Chemo vom Onkologen verschrieben.

Chemotherapie

Vier Wochen nach der OP fing im Mai 2013 die Chemo-Therapie an. Zuerst wurde durch zwei Spritzen mein Immunsystem heruntergefahren. Dann gab es was gegen Übelkeit. Danach lief für zwei Stunden die eigentliche Chemo durch. Spülen, fertig. Ich war froh, das ich den Taxidienst in Anspruch genommen hatte, denn ich schlief zuhause sofort ein. Die anschließenden Tage waren zu ertragen. Nach drei Wochen, solange dauert ein Zellprozess bis zur nächsten Teilung, erfolgte die nächste Sitzung. Vene im linken Arm suchen, was gegen Übelkeit, Spülen, Chemo, Spülen, fertig und nach Hause. Zwei Wochen Übelkeit und Spuckerei. Nach der dritten Behandlung wurde ein Port gesetzt, da sich nach jeder Behandlung die entsprechende Vene im Arm verabschiedete. Mit Müh und Not und letzter Kraft überstand ich alle 8 Sitzungen und die Haare waren nicht nur am Kopf weg. Auch Fingernägel und Fußnägel litten unter der Chemo. Mittlerweile war es Oktober.

Strahlentherapie

Nach kurzer Pause ging es mit der Bestrahlung weiter. Vier mal die Woche, Mittwochs und Wochenende war frei. Zeit zum Erholen. Nun spielte mein Körper verrückt. Ich lagerte bis zu 14 kg Wasser ein. Ging wieder etwas weg und kam wieder. Entwässerungstabletten hatten keine Wirkung. Dann Taubheitsgefühl an Händen und Füssen. Und ich wurde immer kraftloser. So muss man sich mit 90 fühlen. Ich bin verzweifelt. Anfang Dezember war die Bestrahlung zu Ende.

Antihormontherapie

Der letzte Step beginnt: Jetzt muss ich Tamoxifen für 5 Jahre einnehmen. Diese harmlos aussehende Tablette soll sehr viel Nebenwirkungen haben. Man wird sehen.

Reha

Zum Jahreswechsel 2013/2014, noch vor Weihnachten, ging es zur Anschlussheilbehandlung nach Bad Oexen. Wegen der Feiertage wurde sie auf meinen Wunsch verlängert auf vier Wochen. Seminare über Krebs, Ernährung und Renteninformation folgten. Sehr viel Sport und gesunde Ernährung brachten mich wieder auf die Beine. Mein Lymphödem versuchte man mit strammen Wickeln in den Griff zu bekommen. Meine Leistungskurve stieg. Fiel aber am vorletzten Tag wieder deutlich ab. Am Entlassungstag Mitte Januar 2014 bekam ich einen sehr dicken linken Arm. Sofort ins Krankenhaus, verdacht auf Thrombose. Es wurde ein Verschluss am Port und auch am Hals festgestellt. Jetzt täglich 1ml Innohep spritzen und Kompressionsärmel mit Handschuh auch links tragen.

Wieder zu Hause

Zu Hause machte ich, wie bei der AHB beantragt, mit Reha Sport weiter. Mit beiden Armen und Händen in Druckverbänden sah es etwas eigenartig aus. Aber ich arbeitete wieder an meiner Leistungssteigerung. Leider bekam ich im Fitness-Center immer Schwindelanfälle mit massiver Luftnot. Auch bei der Gymnastik zu Hause ging es mir nicht besser. Mein Reha- und Gymnastikprogramm wurde dadurch immer sparsamer. Jetzt kommt auch noch der Tinnitus dazu. Damit hatte ich ja noch nie Probleme. Dafür fangen die Haare jetzt langsam an zu wachsen. Meine Fingernägel kommen auch wieder in Ordnung, aber die Fußnägel sind kurz vorm Abfallen. Durch das Taubheitsgefühl in den Füssen sind die Schmerzen zu ertragen. Mein Hausarzt hat eine Langzeitverordnung für Lymphdrainage bei meiner Krankenkasse beantragt. Jetzt darf er ohne Budgetbelastung mir 3 mal die Woche für eine Stunde Lymphdrainage verschreiben.

Wiedereingliederung

Im Februar startete meine geplante Wiedereingliederung in den Beruf für 4 Wochen. Zuerst zwei Wochen für 3 Std. Es war ein freudiges Wiedersehen in der Firma. Aber kräftezehrend. Nachmittags musste ich mich hinlegen. Dann zwei Wochen für 5 Std.. Die vierte und letzte Woche habe ich nur mit Müh und Not geschafft. Mein Sportprogramm kam ganz zum Erliegen. Wie soll ich im März nur ganze Tage durchhalten? Ich war doch bei der AHB schon so fit.

Noch nicht arbeitsfähig

März – die erste Nachsorge. Ultraschall und Untersuchung der rechten Brustseite. Keine Auffälligkeiten, keine Metastasen, aber Verschlechterung des Allgemeinzustandes. Die Sonographie am linken Arm ergab eine weitere Thrombose im Oberarm. Statt zu arbeiten wurde ich nun wieder krank geschrieben. Mein Chef war begeistert. Es stellte sich heraus, daß meine Schwindelanfälle Lungenembolien waren. Kein Reha- Sport und Gymnastik mehr. Zu weiteren Untersuchungen bestellte man mich wieder ins Krankenhaus.  Nach einer Woche kam man zu dem Entschluss, daß der Port raus muss. Dieser wurde Ende März operativ entfernt. Da meine Venen fast alle kaputt sind, musste der Zugang für die OP am Hals gelegt werden. Weiter Innohep spritzen und monatlich zur Sono. Natürlich sollte ich Anstrengungen jeglicher Natur vermeiden. Den Kompressionsärmel und Handschuh am linken Arm (Thromboseseite) muss ich bis Januar 2015 tragen. Den Kompressionsärmel und Handschuh am rechten Arm (Lymphödem) wohl noch mehrere Jahre. Es stellte sich an beiden Seiten bis jetzt noch keine nennenswerte Besserung ein.

Eine der Nebenwirkungen von Tamoxifen ist die Begünstigung zu Thrombosen. Durchblutungs-Probleme im linken Oberarm sowie in den Beinen führen zu Muskelkrämpfen. Die Haut an der rechten bestrahlten Brust und Achsel ist immer noch dunkel gefärbt und die Haare wollen da auch noch nicht wachsen. Hände und Füße sind durch die Chemo immer noch taub. Meine Fußnägel sehen  katastrophal aus und schmerzen. Und und und… Ich muss mich jetzt in Geduld üben.

Natürlich war auch meine Frau in dieser Zeit stark belastet. Zusätzlich zum Beruf, Haus- und Gartenarbeit nun auch noch die Sorge um mich. Bei wichtigen Arztgesprächen war sie mit dabei, da ich alleine die Informationen gar nicht richtig auswerten konnte. Während der Chemo war ich nach den einzelnen Sitzungen so fertig, das sie mich immer wieder neu aufbauen musste. Sie macht abends noch zusätzlich Lymphdrainage, da gerade jetzt, wo es wieder wärmer wird, ich das Gefühl habe, als wolle mein rechter Arm platzen. Auch mein Freundeskreis unterstützt mich und nimmt mir diverse Arbeiten ab. Mein Chef steht immer noch hinter mir. So wird sich alles zum Guten wenden.

Hartmut
im Mai 2014

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