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Erfahrungsbericht Thomas

So fing es an

Ich war 38 Jahre alt und aus vielerlei Gründen glücklich. Es lief einfach alles rund. Ich hatte einige Jahre zuvor mit dem Rauchen aufgehört und durch viel Sport, täglich 5 bis 10 km joggen, meine 10 kg Übergewicht abtrainiert. Ich fühlte mich topfit und freute mich auf mein neues Hobby, das Motorradfahren. Hierfür hatte ich drei Tage vor meiner späteren negativen Diagnose den Führerschein bestanden, doch dazu später. Des Weiteren habe ich eine tolle Familie, wir hatten gerade ein Haus gekauft und auch im Job lief alles rund.
Eines Tages kam ich vom Joggen und bemerkte eine Art Brennen an meinen Brustwarzen. Das hatte ich öfter nach dem Laufen. Ursache hierfür war das Schwitzen und das Reiben der Synthetik-Laufshirts an den Brustwarzen. Automatisch fasste ich mich immer, wenn diese Reizungen auftraten an die Brust, wobei ich dieses Mal etwas in der rechten Brust fühlte, was sonst nicht da war. Ein Knubbel in der Nähe der Brustwarze. Ich beobachtete die Geschichte einige Tage und hatte das Gefühl, dass der Knubbel eher größer wurde und berichtete meiner Frau (Beruf Krankenschwester) davon. Sie empfahl mir, zum Arzt zu gehen und es mal checken zu lassen.
Mein damaliger Hausarzt sagte, es handele sich wohl um einen Fettknubbel, was bei Männern schon mal vorkommt. Um Gewissheit zu erlangen, schickte er mich zur Mammografie. Beim hiesigen Röntgenspezialisten angekommen, legte ich meine Überweisung auf den Tresen, woraufhin die Arzthelferin mich musterte, als wolle sie sagen, hier ist nur für Frauen.
Nach kurzem Gespräch schickte sie mich in das Wartezimmer. Von hier wurde ich mit den Worten „ Frau H. bitte zur Mammografie“ aufgerufen. Die Blicke der wartenden Frauen waren mir sicher. Die Arzthelferin empfing mich mit den Worten „Wo ist denn Ihre Frau“. Nach kurzer Erklärung nahm sie mich mit und quälte meine Brust in das Röntgengerät.

Die Diagnose

Nach Auswertung der Bilder wurde ich ins Sprechzimmer geführt, wo der Arzt noch eine Ultraschalluntersuchung durchführte. Das Ergebnis der Mammografie und auch die Ultraschalluntersuchung waren wohl eindeutig, jedoch drückte der Arzt sich sehr vorsichtig aus mit den Worten: „Das sollten sie sich zeitnah entfernen lassen“.
Wieder bei meinem Hausarzt angekommen, sah er sich den Bericht an, schrieb mir eine Einweisung ins Krankenhaus und meinte, ich solle in die Notaufnahme gehen, damit ich nicht so lange warten müsse. Immer noch in dem Glauben, einen Fettknubbel in der Brust zu haben, fuhr ich gut gelaunt mit dem Motorrad zur Notaufnahme.
Nach und nach wurden Leute herein gerufen, die meiner Meinung nach in der Notaufnahme richtig aufgehoben waren. Was ich hier sollte, wusste ich eigentlich immer noch nicht.
Endlich war ich an der Reihe und wurde von einer Ärztin in Empfang genommen, die sich meinen Bericht ansah, mich untersuchte und mich schließlich fragte, ob ich meine Sachen schon dabei hätte. Ich verstand nicht, was sie meinte und wurde doch ein wenig unruhig, als sie plötzlich meinte, dass sie noch einen Nottermin für die OP frei habe. Ich könne noch an diesem Tag operiert werden. Meine Frage, warum ein Fettknubbel so schnell operiert werden müsse, wurde prompt beantwortet:
Sie haben keinen Fettknubbel sondern mit ziemlicher Sicherheit
BRUSTKREBS.
Der Befund wäre sehr eindeutig.
Von hier an weiß ich nicht mehr so recht, was weiter passiert ist. Ich bin jedenfalls noch über das Wochenende nach Hause und kann gar nicht beschreiben, was hier vor sich ging.
Ich musste mich plötzlich nicht mehr mit den schönen Dingen des Lebens auseinandersetzen, sondern mit dem TOD und was wohl aus meiner Familie werden würde, wenn ich nicht mehr bin.

Die Operation

Montag ging dann alles sehr schnell. Aufnahme im Krankenhaus, Beruhigungspille und schließlich die Operation.
Als ich aufwachte, war meine rechte Brust entfernt und es hingen zwei Schläuche aus meiner Wunde, an deren Ende jeweils eine Flasche für Wundwasser hing. Leider füllten sie sich ständig, so dass es mir Nacht schwindelig und übel wurde, was wohl an dem zu hohen Blutverlust lag. Dies hatte zur Folge, dass ich am nächsten Morgen wieder im OP lag, wo die Blutung gestillt wurde. Danach ging es mir stetig besser. Die Wunde heilte schnell und die Schläuche konnten entfernt werden. Jetzt stand nur noch das Ergebnis der Pathologie aus.
Das Ergebnis war so, dass ich eine gute Prognose erhielt, da keine Lymphdrüsen befallen waren und der Tumor nur etwa 1,5 cm groß war. Als weitere Behandlung wurde eine Chemotherapie empfohlen, die aus sechs Sitzungen bestand und im Abstand von drei Wochen durchgeführt werden sollte.
Im Anschluss bekam ich eine AHB (Anschlussheilbehandlung) in Sankt Peter Ording, wo ich mich sehr schnell von den Strapazen der Chemo erholte. Die gesunde Ernährung und die Ruhe waren ein Teil der Reha, der andere Bestand aus sehr viel Sport und Gesprächen mit Gleichgesinnten und Therapeuten.
Ich kam nach Hause und fühlte mich gesund und fit.

Die Therapie

Im Anschluss an die AHB stand eine Antihormontherapie, womit das fünfjährige Drama seinen Lauf nahm. Ständige Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und absolute Antriebslosigkeit waren die Folge. Auf der anderen Seite stand der Wiedereinstieg in den Job per Hamburger Modell. Trotz der reduzierten Stundenzahl (anfänglich vier Stunden) hatte ich das Gefühl, nie wieder voll belastbar zu sein.
Ich ging nach vier Stunden nach Hause, ab ins Bett bis Nachmittags und trotz ständiger Schonung am sehr frühen Abend wieder ins Bett. Morgens bereits nach dem Aufstehen müde und kaum im Stande die nächsten vier Stunden zu überstehen. Es dauerte Monate, bis ich mich an das Präparat Namens TAMOXIFEN halbwegs gewöhnt hatte.
Jetzt, obwohl ich nur noch ein paar Monate bis zum Ende der Therapie habe, bin ich immer noch ständig müde, abgeschlagen und antriebslos. Auch die Konzentration ist nicht wirklich besser geworden. Darüber hinaus bin ich sehr häufig erkältet und falle am Arbeitsplatz aus, was die gesamte Situation auch nicht leichter macht. Das Verständnis selbst für Krankheiten wie Krebs ist sehr begrenzt, wenn Kollegen dadurch mehr belastet werden.
Im September dieses Jahres wurde in der anderen Brust ein Tumor per Mammografie entdeckt. Er wurde umgehend auf sehr schonende Weise operativ entfernt. Er war gutartig.

Vertrauen in den eigenen Körper

Das Vertrauen in den eigenen Körper wird mit jeder Nachuntersuchung größer und die Normalität hält langsam ihren Einzug in unser Leben – unser Leben, weil die Diagnose Krebs und die damit verbundenen täglichen Sorgen eine extreme Belastung für die ganze Familie sind. Die Kinder waren zum Zeitpunkt der Diagnose zum Glück noch sehr klein, so dass sie die ganze Geschichte noch nicht realisieren konnten. Heute, wo sie 12 und 14 Jahre alt sind, kommen Fragen wie: Papa, hättest Du an deinem Krebs auch sterben können? Das sind Momente, in denen ich mich am liebsten aus dem Raum zaubern würde.
Die eigentlich größte Belastung hat meiner Meinung nach jedoch der Ehepartner. An Ihr (Ihm) bleibt das gesamte tägliche Leben hängen. Da ist der eigene Job, das Einkaufen, Kochen, Kinderbetreuung und dann auch noch ein zumindest zeitweise pflegebedürftiger Ehepartner. Die eigenen Bedürfnisse bleiben da schnell auf der Strecke.
Für neu erkrankte Patienten kann ich nur sagen, dass es nicht so ist, wie ich anfangs dachte: Das Leben endet NICHT, sobald man die Diagnose Krebs bekommt. Es geht weiter.
Der Medizin sollte man vertrauen und versuchen, positiv zu denken. Es braucht aber seine Zeit, bis die „Wunden im Kopf verheilen“.
Die Medizin hat riesen Sprünge gemacht in der Zeit, die seit der Diagnose meiner Erkrankung bis heute vergangen ist. Und sie wird es auch weiter tun. Allein die Art der Operation vor sechs Jahren und heute hat sich sehr positiv weiter entwickelt.
Ich habe sechs Jahre ohne Rückfall hinter mir dank frühzeitiger Diagnose und der modernen Medizin.
Das Netzwerk für Männer mit Brustkrebs soll unter anderem dazu beitragen, dass betroffene Menschen früh erkennen, wenn sie krank sind. Wir wollen Informationen erstellen und – unter anderem via Internet – anbieten, die ich und viele andere bei ihrer Diagnose nicht hatten.
Es war schwer, diesen Erfahrungsbericht zu schreiben. Er wühlt mich auf und kosten Kraft, aber an seinem Ende steht, dass ich sechs Jahre ohne Rückfall bin!
Ich hoffe, meine Zeilen helfen anderen, und wer Fehler findet, kann sie behalten.

Thomas
Dezember 2010

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